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Die Alta Via No. 1: Ist das wirklich Italien?

Der Höhenweg Alta Via 1 stand lange Zeit auf meiner Liste an Vorsätzen und im September 2023 war es endlich so weit, die Wanderschuhe zu schnüren und den Rucksack mit viel Bedacht und weniger als 10 Kilogramm zu befüllen. Vorab hat uns der berühmte Höhenweg aber doch einiges Kopfzerbrechen beschert, daher mein Rat: Plane mit viel Vorlaufzeit (ca. 1 Jahr) oder überlege dir alternativ, ein Paket über eine Agentur zu buchen, sei es self-guided oder mit Bergführer:in.

Da ich mit einer Freundin unterwegs war, die im Norden Deutschlands lebt und wir begrenzt viele Überschneidungen bei unserer Urlaubswahl hatten, entschieden wir uns nach eigenen Recherche und mehreren abgelehnten Anfragen, für ein Übernachtungspaket mit Halbpension wenn man es so nennen will: über den Anbieter OASE aus dem Allgäu. Für uns persönlich eine gute Wahl, da wir „erst“ fünf Monate vor der Tour mit der Recherche und den Anfragen begonnen hatten. Wie die Tour verlief, welche Unterkünfte, Highlights und Schwierigkeiten wir während unserer Wanderwoche hatten und was du am besten einpackst, verrate ich in diesem Blogbeitrag. Und versuche mich kurz zu halten. So viel vorab: Die Bergwelt und die abwechslungsreichen Landschaften auf dem Weg sind ein Traum und nicht selten fühlt man sich viel weiter weg, als man eigentlich ist.

Ein paar Eckdaten vorab

Angereist sind wir mit dem Auto am 4. September, gestartet am 5. September, unser letzter Wander- und Rückreisetag war der 11. September 2023. Insgesamt waren wir 7 Tage unterwegs, haben 92,5 km geschafft und dabei knapp 5.500 Höhenmeter rauf und 5.700 Höhenmeter runter überwunden. Die Wanderung führte vom Pragser Wildsee bis zum Passo Duran.

Infos zum Thema organisierte Tour: Enthaltene Leistungen waren die sechs Übernachtungen mit Halbpension (exkl. Getränke) sowie eine detaillierte Routenbeschreibung mit Kartenausschnitten und GPX-Daten fürs Smartphone, außerdem ein persönliches Beratungsgespräch über aktuelle Verhältnisse, eine Notfallhotline und die Kontaktdaten der Hüttenbetreiber:innen. Zusätzlich haben wir Getränke, eine Seilbahnfahrt und die Taxifahrt zurück nach Niederdorf (Villabassa) am siebten Tag bezahlt. Fix sind das ca. 250 Euro pro Bustaxi und es dauert 2 Stunden statt 6 bis 7 Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Für den Rücktransport lohnt es sich also entweder noch auf eigene Faust in der Gegend zu übernachten und am nächsten Tag mit dem Bus zu fahren oder in der Gruppe für die Rückfahrt zusammenzulegen. Wichtig: auch um die Hinfahrt von Niederdorf zum Pragser Wildsee frühzeitig kümmern und die Bustickets online reservieren.

Unsere Route im Überblick

  • Tag Eins: Busfahrt von Niederdorf zum Pragser Wildsee, am See entlang über die Scharte Sora al Forno zur Sennes-Hochfläche. Einkehrmöglichkeit an der Seekofel-Hütte, anschließend weiter zur Sennes-Hütte. Gehzeit: 5 Stunden, Aufstieg 950 m, Abstieg 300 m, Länge 9,5 km

  • Tag Zwei: Von der Sennes-Hütte geht es abwärts bis Pederü (Einkehroption), dann hoch zur Lavarella-Hütte. Ein Abstecher führt zum Limosee. Gehzeit 5,5 Stunden, Aufstieg 700 m, Abstieg 800 m, Länge 14 km

  • Tag Drei: Von der Lavarella-Hütte über das Limojoch zur Großen Fanesalm, weiter über den Lagazuoisee zum Rifugio Lagazuoi auf ca. 2700 m. Gehzeit 6,5 Stunden, Aufstieg 1100 m, Abstieg 500 m, Länge 14 km

  • Tag Vier: Vom Rifugio Lagazuoi geht es durch den Felstunnel nach unten, dann über den Passo Falzarego und die beiden Rifugios Col Gallina und Bain de Dones bis zur Seilbahn zu den Cinque Torri. Wir sind von dort einen kürzeren Weg bis zur Unterkunft Croda da Lago gelaufen. Gehzeit 7,5 Stunden, Aufstieg 500 m, Abstieg 1500 m, Länge 16,5 km

  • Tag Fünf: Ab dem Rifugio Croda da Lago über das Rifugio Citta di Fiume und den Passo Staulanza (Einkehroption) geht es über den Col de Baldi bis zum Rifugio Coldai auf ca. 2100 m. Gehzeit 7 Stunden, Aufstieg 900 m, Abstieg 800 m, Länge 17 km

  • Tag Sechs: Vom Rifugio Coldai entlang der Felswände der Civetta bis zum Rifugio Tissi (Einkehroption). Anschließend größtenteils abwärts bis zum Rifugio Vazzoler auf rund 1.700 m. Gehzeit 5 Stunden, Aufstieg 500 m, Abstieg 900 m, Länge 10 km

  • Tag Sieben: Vom Rifugio Vazzoler bis zum Forcella de Camp und nach der Einkehr im Rifugio Carestiato zum Passo Duran. Von dort ging es mit dem Bustaxi zurück nach Niederdorf. Gehzeit 6 Stunden, Aufstieg 900 m, Abstieg 1.000 m, Länge 11,5 km

Unsere Route im Detail

Tag Eins: Grauschattierungen

Nachdem wir den Pragser Wildsee am Vorabend bereits intensiv begutachtet und einmal umrundet hatten, waren wir auch am frühen Morgen unserer Wanderung noch verleitet, das ein oder andere Mal stehen zu bleiben, zu schauen und ein Foto zu knipsen – sieht einfach zu schön aus! Und auch das Blau wirkte wieder ein bisschen anders als abends. Der erste Aufstieg war direkt relativ steil, bot aber nochmal schöne Ausblicke zurück auf den See. Die Wege verlaufen gut markiert über Geröllhalde und danach über einige felsige Stellen mit Drahtseilen nach oben. Hier langsam machen und auf den Zustand der Seile achten, ich habe einmal ohne vorher hinzusehen in ein kaputtes Seil gefasst und mich etwas gestochen. Außerdem nicht zu unterschätzen sind die Temperaturunterschiede zwischen sonnigen und schattigen Stellen.

Richtig spektakulär wurde es auf der anderen Seite auf den letzten Metern zur Seekofelhütte, die man nach circa 4 Stunden erreicht. Die umliegenden Steinfelder und Gipfel und der weite Blick sind ein Traum. Perfekter Ort für eine Pause. Anschließend ging es relativ flach an den ersten äußerst fotogenen Kühen vorbei und durch eine richtig spektakuläre Hochebene. Dort lassen sich Edelweiß entdecken. Auf der Sennes-Hütte warteten ein gemütliches Zimmer, eine heiße Dusche und einige Murmeltiere auf uns, die vielleicht 200 Meter entfernt über die Almwiesen hoppelten und pfiffen. Murmeltiere sind übrigens das Wahrzeichen der Ladiner, die aus dieser Gegend kommen und eine eigene Sprache sprechen (neben Italienisch oder Deutsch). Beim wirklich großzügigen Abendessen (inklusive Tiramisu) lernten wir einige andere Wanderer kennen, aus Kolumbien, Israel und Ungarn. Eine seht nette Runde, wobei sich nach dem Essen auch alle relativ zügig ins Zimmer bewegten. Wir wollten nochmal raus und die letzten Sonnenstrahlen auf den umliegenden Bergrücken einfangen. Obwohl man von der Hütte aus keinen freien Blick hat, war die Lichtstimmung noch sehr besonders, die umliegenden Berge in orange getaucht, wir aber auch froh, noch Socken in unseren Flip Flops zu tragen. Wie gesagt: Abends wird es echt frisch.

Holzhütte und Boote auf dem Pragser Wildsee in Südtirol Foto: Lisa Freudlsperger
Am Vorabend und Morgen unserer Tour war es erstaunlich ruhig am Pragser Wildsee.
Frau sitzt zwischen Steinen in einer Hochebene in den Südtiroler Bergen Foto: Lisa Freudlsperger
Pause machen und die Natur bewundern - können wir gut!
Zwei fotogene Bewohnerinnen der Hochebenen.

Tag Zwei: Die Farben des Wassers

Wandertage enden und beginnen früh, richten sich nach der Sonne und danach, dass man für keine unnötige Panik sorgen will, wenn man zu spät an der Hütte ankommt. Von der Sennes-Hütte ging es am zweiten Tag erst mal lange und steil über einen breiten, befahrbaren Weg in Serpentinen bergab. Nicht so angenehm für die Knie, aber wir kamen flott voran. Nach rund 1,5 bis 2 Stunden am Berggasthaus Pederü angelangt, gönnten wir uns einen Cappuccino mit Aussicht, bevor es auf der anderen Seite wieder nach oben ging. In der prallen Sonne gut, eine Kappe oder ein Buff dabei zu haben. Auf den schweißtreibenden Aufstieg folgte eine wirklich schöne Hochebene mit niedrigen Nadelbaumgewächsen. Generell war es immer wieder sehr beeindruckend auf dem gesamten Weg, wie man über die letzte Anhöhe kommt und dann wieder in einer Hochebene steht, die landschaftlich so unterschiedlich aussehen.

Im weiteren Tagesverlauf kam immer mehr Wasser ins Spiel auf dem Weg durchs Fanes-Tal. Erst in Form verschiedener Bäche und Flüsse die sich zwischen diversen kleinen Hütten schlängelten, dann bei unserer zweiten Unterkunft, der Lavarella -Hütte gab es direkt einen breiten und ruhigen Flusslauf – erneut geschmückt durch fotogene Kühe – und einen kleinen See, circa zwei Minuten von der Hütte entfernt. Das besondere am zweiten Tag: Die Lavarella-Hütte erreichten wir schon recht früh und konnten unsere Rucksäcke abstellen, bevor wir die zweite Tagesetappe angingen: den Weg zum Limosee. Der Aufstieg zum See dauert ungefähr 30 bis 45 Minuten und die Hochebene mit den umliegenden Bergen und ihrer ganz eigenen Farbpalette erinnerte mich spontan direkt an Patagonien. Je mehr man sich dem Limosee nähert, desto mehr seiner unterschiedlichen Farben zeigt er. Zum Baden war es uns zu kalt, aber die Füße haben wir eingetaucht und die Spiegelung der umliegenden Gebirgslandschaft aus allen Winkeln bewundert. Auf den Berg direkt am See sind wir für noch mehr Aussicht ein Stück nach oben gelaufen, was gegen Ende relativ anstrengend war. Wer nicht mehr so viel Energie mitbringt, kann dieses letzte Stück nach oben weglassen und sich an der Runde um den See erfreuen. Mit Blick auf die Uhr machten wir uns ohne weitere Umwege auf den Rückweg zum Abendessen. Als Vorspeise gab es witzigerweise Pasta (es stellte sich heraus, dass das nicht so ungewöhnlich ist in Südtiroler Berghütten), anschließend Camembert mit Preiselbeeren und Bratkartoffeln. Die Nachspeise war dann etwas Neues für uns: Buchteln (oder Wuchteln), eine kleine Süßspeise, gefüllt mit Marmelade und übergossen mit Vanillesoße. Außerdem haben wir das hütteneigene Bier probiert, denn auf der Lavarella-Hütte liegt immerhin die höchste Brauerei Europas. Etwas geschmacksintensiver als ein reguläres Helles, aber sehr lecker! Also probieren. Oh und nicht vergessen, ein Lunchpaket zu bestellen, denn am Tag Drei gibt es keine Einkehrmöglichkeiten.

Berge am Limosee unter blauem Himmel in Südtirol Foto: Lisa Freudlsperger
Die zweite Etappe des zweiten Tages führt uns an den Limosee.
Fluss in den Bergen Foto: Lisa Freudlsperger
Flüsse und Bäche kreuzen wir vor allem an Tag Zwei, Drei und Sieben der Wanderung.

Tag Drei: Das Tal der Pferde und ein Selfie mit Jesus

Der dritte Tag war landschaftlich ein absoluter Traum, forderte uns mit den intensivsten Auf- und Abstiegen heraus, belohnte aber auch mit dem filmreifsten Sonnenuntergang. Ein Mix der Gefühle zwischen „Wow, ein Traum! Ich kann mich nicht satt sehen“ und „Boah, blöder Weg! Wann sind wir endlich da?“. Und ein Rekord der Höhenmeter: 1.100 sind es an diesem Tag insgesamt nach oben. Dafür war frühes Aufstehen Schritt Eins. Vor allem, da wir noch den kleinen See direkt neben der Unterkunft sehen wollten zum Sonnenaufgang. Der Untergrund auf dem Weg dorthin und generell auf der Fläche rund um die Hütte ist kurios: mit den großen Felsen und Spalten zwischendrin erinnert er ein bisschen an die Küste. Vom Sonnenaufgang selbst haben wir nicht viel gesehen, aber der ein oder andere Berg war rötlich-orange eingefärbt. Zum Frühstück gab es nochmal Buchteln und Tee, um acht Uhr sind wir losmarschiert. Zunächst auf dem gleichen Weg zum Limosee, der erneut hübsch war, uns aber am Vortag in der Nachmittagssonne besser gefallen hat. Also Tipp: der Aufstieg am Vortag lohnt sich. Außerdem waren wir so weniger verleitet, lange zu pausieren, gut fürs Zeitkonto. Vom See aus ging es erst einmal relativ entspannt ein bisschen auf, ein bisschen ab, geprägt von beeindruckenden Landschaften, Wasserflächen mit Spiegelungen und fotogenen Tieren: Eseln und Pferden. Letztere liefen sehr ästhetisch immer wieder hin und her auf der Hochebene und grasten. Ohne bisher da gewesen zu sein, erinnerte uns das beide spontan an Fotos von Island. Am ersten Aussichts- und Rastpunkt des Tages begegnete uns noch ein Hund mit Rucksack.

Esel grasen vor Bergpanorama Foto: Lisa Freudlsperger
Berge spiegeln sich im Wasser. Foto: Lisa Freudlsperger
Eine Herde Pferde grast in einer grünen Hochebene vor Bergpanorama.
Ausblick auf einen Bergsee und schroffe Felsenlandschaft. Foto: Lisa Freudlsperger
Berghütte steht exponiert zwischen Felsen, Berge im Hintergrund. Foto: Lisa Freudlsperger
Sonnenuntergang färbt Bergspitzen rot ein. Foto: Lisa Freudlsperger

Anschließend ging es dann sehr plötzlich sehr steil nach oben, als der Passo die Lago in unser Blickfeld gelangte, waren wir beide etwas eingeschüchtert. Und tatsächlich war es an einigen Stellen besser, nicht nach unten zu sehen, dafür aber konzentriert weiterzugehen. Alles machbar und im Verhältnis zum zweiten langen Aufstieg des Tages, schafften wir es ganz flott. Auf der anderen Seite des Passes wartete eines der schönsten, aber durchaus anspruchsvollen Wegstücke. Der Abstieg zum Lago Lagazuoi und anschließende Aufstieg zur gleichnamigen Hütte. Direkt nach dem Überqueren des Passes war wieder kurz Zeit für Müsliriegel und Aussicht. Die riesigen Felsformationen bieten dafür eine echt besondere Kulisse. Den See sieht man von ganz oben noch gar nicht, weil er so weit unter uns liegt. Auf der Karte mit dem Höhenprofil geht die Linie an dieser Stelle fast senkrecht nach unten. Und effektiv geht es auch wirklich sehr steil, teils über Stufen bergab. Sobald der See ins Blickfeld gerät, stehen bleiben, Ausblick genießen! Der ist grandios. Beim Gehen aber wirklich vorsichtig sein und konzentriert bleiben. Rund um den See findet sich etwas Grün, fast wie eine Art Oase. Theoretisch kann man hier baden, praktisch ist es uns zu kalt. Offizieller Stopp für die Mittagspause und das Lunchpaket ist am Seeufer. Was für eine Kulisse. Und ja, ich wiederhole mich.

Der Rest des Weges ist von hier unten schon ganz gut erkennbar. Er führt durch Felsen und Stein im wesentlichen sehr lange nach oben. An einigen Stellen muss man genau auf die Markierungen oder GPX-Daten achten, wo es weitergeht. Es war nicht wahnsinnig steil, aber der Weg nach oben hat sich echt gezogen und die Hütte am Ende des Weges kam gefühlt nicht näher. Am Ende warteten noch einige Serpentinen auf uns, dann vorbei an der Seilbahnstation und um 17 Uhr hatten wir die Lagazuoi Hütte zwischen den Felsen erreicht. Die ist wirklich traumhaft gelegen und die Aussicht gigantisch. Eben deshalb auch eine der beliebtesten Unterkünfte auf dem ganzen Weg. Früh dran sein lohnt sich hier beim Buchen. Das Sahnehäubchen auf dem Blick waren noch die Schafe, die direkt vor der Bergkulisse grasten. Unsere letzte Tierbegegnung an diesem Tag. Die Rucksäcke ließen wir schnell zurück und marschierten noch zum Gipfelkreuz, fast ein Spaziergang im Vergleich zum Rest der Tour. Und dort entstand dann auch unser Selfie zum Ende des Tages mit Gipfelkreuz – und Jesus – in unserer Mitte. Hat uns sehr erheitert und die Fernblicke ohne Gepäck auf dem Rücken waren doppelt schön. Ungefähr 30 Minuten später bezogen wir unser Zimmer. Das Abendessen unterbrachen wir für den Sonnenuntergang. Wirklich frisch draußen, aber traumhaft! Von der Terrasse kann man ringsum sehen, die Schafe grasten weiter und die Sonne tauchte alles in ein tiefdunkles Orange ein. Das erste Duschen mit Münze und Zeitlimit hat auch gut funktioniert, ebenso das Wifi. Tag Vier sollte ebenfalls intensiv werden, also Wecker früh stellen und Magnesium nehmen, dann ab ins Bett. Übrigens: beim Rundumblick von der Terrasse kann man die Marmolatam den Piz Boe und theoretisch auch den weiteren Streckenverlauf der Wanderung bis zur Civetta sehen.

Tag Vier: Verlaufen im Grün

Das ursprüngliche Thema des vierten Tages war Grün. Viele Waldstücke warteten auf uns aber zuallererst ein wunderschöner Sonnenaufgang und dann ein wirklich langer, intensiver Abstieg. Relativ exponiert bewegten wir uns lediglich in Begleitung einer Gämse, erst einmal für etwa 10 Minuten bis zum Eingang des Tunnels, den wir dann nach unten durchquerten. Für Menschen mit Höhenangst oder Knieproblemen kann die Abfahrt mit der Seilbahn eine echte Alternative sein. Wir wagten uns über die Felsen und durch die Tunnel. Auf dem Weg nach unten gaben kleine Öffnungen wie runde Fenster immer wieder den Blick nach draußen frei und es war schon spannend durch die historischen Tunnel zu laufen. Aber auch anstrengend: die Stufen sind relativ hoch, das Seil am Rand hängt niedrig, der Boden ist immer wieder nass und teils rutschig. Außerdem braucht man eine Stirnlampe, große Menschen einen Helm oder erhöhte Aufmerksamkeit. Als wir den Tunnel schließlich verließen, fanden wir uns auf Serpentinen im Sonnenschein wieder und mussten erst mal Pause machen. Danach entdeckten wir zwar ein kleines Steinhäuschen, fanden aber den Eingang zurück in den zweiten Tunnel nicht, kurz suchten wir noch, beschlossen dann aber bald im Sonnenschein den restlichen Weg zur Talstation der Seilbahn zu laufen. Das Zeitprogramm für Tag Vier war immerhin echt straff.

An der Talstation konnten wir unser Wasser auffüllen. Weiter zum Passhäuschen ging es über schön Wiesen und durch kleinere Waldstücke, ein paar Bäche. Alles sehr hübsch, wenn auch nahe der Straße. Den Weg zurück nach oben verkürzten wir hier – gute Entscheidung! – mit der Seilbahn. 17 Euro kostet die Fahrt pro Person bis zum Rifugio Scoiattoli. Die ersten coolen Ausblicke auf die Cinque Torri inbegriffen. Oben angekommen war es Zeit für Kaffee und eine Evaluation der Lage, was unsere Route ab hier betraf. Da es bereits Mittag war, die Originalroute mit weiteren fünf Stunden veranschlagt war und wir die Cinque Torri auch gerne aus der Nähe sehen wollten, entschieden wir uns für die kürzere Alternative. Eine gute Entscheidung und trotzdem wurde es zeitlich am Ende knapp. Um die Cinque Torri gibt es mehrere Wander- und Spazierwege, auf den Felsen selbst sind einige Kletterer unterwegs. Wirklich imposant auch aus der Nähe und die Wege von hier aus waren ganz angenehm, boten nochmal schöne Ausblicke mit Blumen und einer Schafherde. Danach wartete ein Waldstück und ein relativ langer Abstieg auf uns mit bewurzeltem Gelände und immer mal wieder schönen Fotospots. Auch hier gilt: entweder laufen oder schauen. Sonst ist die Stolpergefahr recht hoch! Einmal pausierten wir halb auf dem Weg, aber uns begegnete ohnehin nur eine einzige Person.

An der Straße liefen wir dann leider in die falsche Richtung, folgten eine gute Weile vermeintlichen Trampelpfaden durch den Wald und stellten bim erneuten GPX-Check fest: Wir hätten an der Straße nur 10 m nach links, statt 300 m nach rechts gehen müssen. Die übrigen Wege ab hier waren relativ einfache, gut befestigte Kieselwege, der Anstieg war trotzdem nicht ohne und der Blick auf die Uhr machte uns etwas nervös. Das fast schon letzte Stück verlief wieder etwas flacher und führte durch einen richtigen Märchenwald, leider mussten wir uns an der Stelle aber echt beeilen. Endlich entdeckten wir dann den See und um 18:15 Uhr stolperten wir in die Hütte Croda da Lago. Bis zum Abendessen hatten wir noch etwas Zeit, die wir sitzend am Seeufer verbrachten. Ich konnte mich auch noch aufraffen, ein Stück am See entlang zu laufen und die Spiegelung unserer Unterkunft und der umliegenden Berge in Fotos einzufangen. Beim Abendessen waren wir beide platt und einsilbig. Duschen gab es überschaubar wenige und um 20.45 Uhr lagen wir einfach im Bett. War auch okay so an diesem Tag Vier. Dem Tag der Wanderung, an dem wir alles in Frage stellten.

Gämse zwischen Felsen Foto: Lisa Freudlsperger

Tag 5: Der Tag der Kühe – und der Hoffnung

Nach den Erlebnissen des vierten, hatten wir echt Respekt vor dem fünften Wandertag, der ebenfalls lang werden sollte. Aber wir wurden positiv überrascht. Ab Croda da Lago starteten wir relativ gemäßigt und mit schönen Ausblicken in den Tag. Immer ein bisschen ab, ein bisschen auf. Und recht bald trafen wir auf eine ganze Menge an Kühen vor bilderbuchhaften Hintergründen. Auch für die Ohren war was geboten: in einer steinigen Hochebene fiepten überall die Murmeltiere, in der nächsten bimmelten die Kuhglocken. Am Rifugio Cittá di Fiume kamen wir in der vorgesehen Zeit an und belohnten uns mit einer ersten Pause. Danach aufpassen, dass man den richtigen Weg erwischt: nicht direkt nach unten, sondern durch den Wald. Unsere Mittagspause verbrachten wir am Passo Staulanza, wo es – unsere Herzen schlagen hoch! – endlich Spinatknödel gibt.

Danach führte der Weg eine Weile an der Straße entlang und dann tatsächlich auf der Straße. Hier besonders vorsichtig laufen, da auch viele flotte Motorradfahrer unterwegs sind. Anschließend ging es über einen Fahrweg weiter, nicht so spektakulär, aber gut, um ein bisschen flotter voranzukommen. Bei einem Bauernhof geht es dann relativ plötzlich und recht steil über einen Wiesenhang nach oben. Da wurde uns gut warm in der prallen Sonne. Kopfbedeckung und Sonnencreme nicht vergessen! Als der Weg abflachte, hatten wir wieder schöne Blicke auf Wiesen und Berg. Das letzte Stück hinauf zur Unterkunft war wieder etwas steiler und anstrengender, aber gut machbar und gegen 17 Uhr kamen wir an. Praktisch, denn so blieb noch Zeit für ein Bier mit Aussicht auf der Terrasse des Rifugio Coldai und – noch wichtiger – für den Aufstieg zum Lago di Coldai. Dem definitiv schönsten See, den ich bisher gesehen habe. Der Aufstieg ging flott, war aber steil. Auf der anderen Seite schimmerte der See in verschiedenen Blautönen und auch die Umgebung, der grün bewachsene Fels direkt dahinter und die rauen, nackten Felswände waren einfach spektakulär.

Das Abendessen war solide: Schmelzkäse, Polenta. Dazu Skiwasser. Die Steckdosen-Situation auf der Hütte war etwas schwierig, da beide verfügbaren Mehrfachstecker im Restaurant waren und eine Art Wackelkontakt hatten. Gut also, wenn man die eigene Powerbank dabei hat. Insgesamt relativ rustikal, aber die Lage so direkt an den Fels geklebt, das hat schon was.

Bergsee mit Felsformationen und Bergen im Hintergrund Foto: Lisa Freudlsperger
Meiner Meinung nach schönster See: der Lago di Coldai.

Tag Sechs: Erfolg auf einsamen Wegen

Am sechsten Tag erfüllen wir endlich die Zeitangaben. Oder zumindest fast. Der Tag startete erneut romantisch mit Sonnenaufgang, den wir sogar vom Zimmer aus schon richtig gut sehen konnten. Die orangen und roten Linien zogen uns früh auf die Terrasse. Zum Frühstück gab es Rührei und ein gemeinsames Vorerst-Fazit zum Weg mit unseren australischen Tischnachbarn. Auf dem Weg nach oben stellten wir wieder fest, wie wertvoll Wanderstöcke sind und mussten einfach nochmal am Lago di Coldai halten. An diesem frühen, windstillen Morgen waren die Spiegelungen sehr klar. Und irgendwie fühlte ich mich bei dem Anblick ein bisschen wie an die Küste versetzt. Verrückt schöne Landschaft einfach.

Nach dem See genau aufpassen und im Zweifelsfall GPX nutzen, um den richtigen Weg übers Schotterfeld zu erwischen. Schotterfeld wechselte sich ab mit kleinen Abschnitten Zauberwald. Ein bisschen wie Kanada irgendwie. Dabei ging es regelmäßig auf und ab, ganz entspannt eigentlich und plötzlich war da das Rifugio Tissi. Der Weg nach oben zog sich noch etwas, aber vor Mittag hatten wir es auf die Terrasse geschafft und konnten die spektakulären Nordwände der Civetta, an denen wir entlanggelaufen waren, nochmal von oben und bei selbstgemachten Gnocchi und einem kühlen Getränk, begutachten. Bereits zuvor hatten wir einmal angehalten und beobachtet, wie sich die Sonne langsam über diese massive Steilwand schob und ihre Strahlen runter schickte. Sehr beeindruckend! Nach der frühen Mittagspause blieben unsere Rucksäcke stehen und wir wanderten noch hoch zum Gipfel Col Reán, wo sich die wahrscheinlich krasseste Weitsicht aller Tag bot: auf ein gut 1.200 Meter tieferliegendes Dorf mit See und ringsum eine unglaubliche Menge an Gipfeln entlang des gesamten Horizonts. Der Abstieg von Tissi war steil und felsig. Dann ging der Weg wieder in die Gerade über und das in der prallen Sonne. Ein bisschen Halbschatten für eine Riegel-Pause fanden wir an einem Felsen. Danach ging es vorbei an einer halb verfallenen Hütte, etwas am Wasser entlang und dann moderat nach oben. Das letzte Stück zur Hütte liefen wir bergab und immer mit Ausblick auf große Felsbrocken und den imposanten Torri Venezia.

Die Hütte selbst, das Rifugio Vazzoler hat richtige Märchen-Vibes mit Blumen, roten Fensterläden und dem felsig-waldigen Hintergrund aus Torri Venezia und Torri Trieste. Sie liegt auf 1.700 Meter. Die Funktionsweise der Dusche war uns nicht direkt klar, hat letztlich aber zum Glück geklappt, das Abendessen war etwas schärfer als gedacht und der wohlverdiente Grappa in erstaunlich vielen Geschmacksrichtungen zu haben: Zitrone-Rosmarin kann ich empfehlen. Außerdem sinnvoll: Wenn man mit dem Taxi am nächsten Tag zurück nach Niederdorf fährt: am besten nochmal anrufen, um Fahrt und Uhrzeit zu bestätigen. „Grandios und einsam“ beschreibt Oase diesen vorletzten Abschnitt. Können wir uns voll und ganz anschließen!

Frau wandert in Richtung Horizont, Bergwald und Berge umgeben sie Foto: Lisa Freudlsperger
Flussbett im Bergwald mit blauem Bergpanorama am Horizont Foto: Lisa Freudlsperger

Tag Sieben: Geschafft!

Nachdem wir am Vortag schon alles bereit gestellt hatten, begann das erste Mal Packen im Dunkeln, denn der letzte Tag war lang und die Heimfahrt für den gleichen Abend angesetzt. Frühstück gab es von 7 bis 7.30 Uhr und dann ging´s um 7.20 Uhr auch direkt los für uns. Zunächst warten angenehme, mittelbreite Wanderwege, größtenteils nach unten, dann wieder mehr auf und ab. Sobald es felsiger wird und man erneut in Geröllfeldern unterwegs ist, am besten immer mal wieder GPX prüfen. Und natürlich auch regelmäßig stehen bleiben und nochmal die Umgebung aufsaugen: Zum Start die in Morgenlicht getauchten Torri, dann mit etwas schwerer Atmung den Blick vom ersten steilen Aussichtspunkt und zwischendurch die Flussbetten entlang über die weißen und hellen Steine, blauen Berge, grüne Vegetation. Insgesamt war am letzten Tag wohl am meisten los auf den Wegen, so im direkten Vergleich. Und die Sonne knallte runter. Gut so, denn diese letzte Etappe darf man nur bei gutem Wetter gehen. Ansonsten können die Flüsse und Bäche auf dem Weg zu echten Gefahren werden. An einem der Flussbetten gibt es plötzlich genug Empfang, den Taxifahrer anzurufen, dann geht es über einen letzten steilen Anstieg einen Grashang und anschließend ein Waldstück hinauf und da ist plötzlich die Hütte, das Rifugio Carestiato, um 13.40 Uhr! Doch noch Zeit für Radler und Pasta mit Aussicht. Um 14 Uhr starten wir den letzten Abstieg, nach gut 1,5 Stunden kommen wir am Passo Duran an. Der Weg wird zunehmend matschig über die letzten Meter, das Gefühl ist phänomenal. Unser Taxi ist pünktlich und zurück geht es dann plötzlich ganz schnell (und kurvig). In gut 2 Stunden fahren wir die Strecke zurück, die wir in sieben Tagen zu Fuß geschafft haben, vorbei an den Pässen Staulanza, Giau und Falzarego, am Dürrensee und den Drei Zinnen.

Fazit

Insgesamt ging unsere Route über 92,5 km jeweils 5.700 m nach unten und 5.500 Höhenmeter rauf. Eine Herausforderung, ein Traum, jede Menge grandioser Landschaften, fotogener Tiere und interessanter Menschen. Eine Wahnsinnstour, bei der man sich des öfteren fragt: Ist das wirklich Italien? Und ja, zum Glück, denn so warten abends Pasta, Panna Cotta und Grappa. Beim nächsten Mal wagen wir den 12-Tages-Marsch. Aber fürs erste Mal waren die 7 Tage ideal. Danke Sonne, danke Beine, danke Südtirol!

Übrigens: Einen noch persönlicheren Reisebericht im Reportagestil habe ich zu dieser Wanderung bei The Female Explorer veröffentlicht und freue mich über Feedback zu beiden Versionen.

Packliste

Die magische Grenze für mich waren 8 Kilogramm, um noch 2 bis 3 Liter Wasser mitzutragen. Natürlich gilt: Je weniger, umso besser. Regenjacke und Handschuhe habe ich nicht gebraucht, aber sollte man dabei haben.

  • das Wichtigste: einen Rucksack mit einem Fassungsvermögen von ca. 35 Litern und eine kleine Bauchtasche o.ä. für Geld, EC-Karte, Handy und ggf. eine handliche Kamera.

  • Kleidung: Regenjacke, ggf. Regenhose, warme Jacke (auch für einstellige Temperatur), Langarmshirt, Fleecejacke, drei Leggins oder zwei Wanderhosen, 7 leichte Outdoor-Shirts, 1 Schlafanzug, drei Paar Wandersocken, ein Paar Hüttensocken, Unterwäsche, davon maximal 3 Sport-BHs bzw. Bustiers, Handschuhe, Mütze, Halstuch z.B. Buff (das kann man alternativ auch gut als Kopfbedeckung bei viel Sonne nutzen), Kappe, Sonnenbrille, knöchelhohe Wanderschuhe und leichte Hüttensandalen oder Flip Flops

  • Hygieneartikel: das Übliche (also Handzahnbürste, Zahnpasta, etc.), zusätzlich nicht vergessen: Sonnencreme, Lippenschutz, persönliche Medikamente, Schmerztabletten, Blasenpflaster, Wundgel bzw. Wundsalbe

  • Sonstiges: Hüttenschlafsack, Micro-Faser-Handtuch, Stöcke, Trinkblase oder zwei leichte Trinkflaschen zum Auffüllen, Riegel, Nüsse, Trockenfrüchte, Traubenzucker, Magnesiumtabletten, Stirnlampe, Kamera mit Ladekabel, Handy mit Ladekabel, zusätzliche Powerbank (ggf. Solar), Ohropax, Regenhülle für den Rucksack, Dry Bag für Elektrokram und Dokumente (im Rucksack), Ausweis, Bargeld, EC-Karte, Taschenmesser, Erste-Hilfe-Set, Plastikbeutel für Abfall

Rucksäcke stehen auf dem Boden, Wanderstöcke lehnen daneben Foto: Lisa Freudlsperger

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