Und erst einmal sorry für den abgedroschenen Ausdruck ABER: Die Stadt unweit der deutsch-tschechischen Grenze wartet trotz ihrer überschaubaren Größe mit einer ganzen Fülle an Superlativen auf: an einem der ehemals größten Marktplätze steht hier im Stadtzentrum der höchste Kirchturm der tschechischen Republik. In der Brauerei des Pilsner Urquell fährt der Fahrstuhl mit dem größten Fassungsvermögen des Landes (rund 70 Personen) und die drittgrößte Synagoge weltweit (nach New York und Budapest) befindet sich in Pilsen. Unterhalb der Stadt wartet außerdem ein beeindruckend weit verzweigtes Tunnelsystem über mehrere Kilometer, dessen Ursprünge teils bis ins 13. Jahrhundert zurückgehen.
Ankommen und rumkommen
Pilsen ist eine kleine Stadt – wie die Überschrift verrät. Theoretisch kann man sie an einem Tag sehen, empfehlen würde ich aber eher zwei bis zweieinhalb Tage. Die Anreise mit dem Auto war für uns ab München recht unkompliziert über die Bundesstraße. Auch von Nürnberg ist eine Anreise mit dem Auto eine gute Idee. Alternativ fahren auch Flixbus oder die Bahn – in beiden Fällen muss man etwas mehr Zeit einplanen und (meist) in Prag umsteigen. Vor Ort lässt sich alles gut zu Fuß erkunden.
Unser Programm für ein Wochenende
- Platz der Republik und Kirchturm der St. Bartholomäus Kathedrale
- Bauernmarkt, Beer Spa, historische Underground Tour und Biermuseum
- Große Synagoge, Alte Synagoge, Pilsner Urquell Brauerei
Wenn du ein ganz reguläres Wochenende lang Zeit hast, kannst du entspannt vieles sehen, gut essen und dein persönliches Highlight wählen. In unserem Fall kreiste alles um eine Badewanne mit Bier: das Geburtstagsgeschenk für einen großen Bierfan.
Freitag: Erster Überblick
Wir hatten den Freitag schon frei und sind gegen Mittag in Pilsen angekommen. Aber keine Sorge: wir haben uns die Tage auch Zeit gelassen für spontane Aktivitäten und Abstecher also auch wer am Freitag erst spät ankommt, schafft das folgende Programm. Und wenn nicht: ein guter Grund nochmal wieder zu kommen.
Der erste halbe Tag eignet sich perfekt, um sich einen Überblick zu verschaffen. Eine schöne Eigenheit von Pilsen: alles ist relativ nah und gut zu Fuß zu erreichen. Wer ein bisschen weiter raus möchte, dem stehen Tram und Busse zur Verfügung. Wir haben uns vor Ort nur zu Fuß fortbewegt und das immer sehr entspannt.
Nach Anfahrt und Check-in im zentralen und optisch filmreifen, aber recht hellhörigen Hotel Slovan Plzen (guter Parkplatz, überschaubares Frühstück) ging es ins Stadtzentrum. Der Platz der Republik lässt sich gar nicht verfehlen. Er beeindruckt durch seine schiere Größe, die Kirche in der Mitte und die wunderschönen, bunten Fassaden der mehrstöckigen Häuser ringsum. Auffällig sind die drei abstrakten Goldskulpturen an den Ecken des Platzes. Sie stehen für die Beschützer der Stadt Pilsen: den Engel, das Kamel und den Windhund. Auf dem Weg zum Mittagessen reiben wir einmal am Eisentor der St. Bartholomäus Kathedrale den Kopf eines der Engelchen und wünschen uns was. Danach gibt es ein richtig gutes und deftiges Mittagessen bei Salzmannu. Das ist das älteste Restaurant und Gästehaus der Stadt, seit 1637 kehren hier Gäste ein. Wir entdeckten es zufällig und waren sehr angenehm überrascht: für Vegetarier:innen gibt es eine Auswahl verschiedener Hauptgerichte und Vorspeisen. Man isst sehr herzhaft und landestypisch, wirklich lecker und preiswert. Die Portionen waren groß, das Bier gut und die Atmosphäre authentisch. Auf die schwere Küche folgte bei uns ein eher unlogischer nächster Programmpunkt und zwar, den Kirchturm der St. Bartholomäus Kathedrale zu erklimmen. Von diesem höchsten Kirchturm in Tschechien hat man einen guten Überblick und am Freitagnachmittag waren wir tatsächlich die einzigen zwei Personen dort oben. Anschließend bietet es sich an, durch die Stadt zu schlendern – und falls man Lust auf eine der Touren hat, auch schon mal zu reservieren. Wir hatten bis auf das Bierbad am Samstag noch nichts gebucht, konnten uns aber vor Ort problemlos einen schnellen Überblick verschaffen und entscheiden, was wir gerne noch sehen und reservieren wollten. Wichtig zu wissen: an langen Wochenenden und im Sommer muss man spontan dann auch mal flexibel sein. Um die Tunnel und das Biermuseum zu besichtigen, mussten wir uns zum Beispiel bis zum nächsten Tag gedulden, für die Pilsener Urquellbrauerei reservierten wir die Tour auf Tschechisch mit englischem Audioguide. Den Rest des Nachmittags und Abends schlenderten wir durch die Stadt und dabei kann man sich in Pilsen ganz wunderbar einfach treiben lassen, ohne sich zu verlaufen. An vielen Ecken warten schöne Fotomotive, Läden, belebte Bars und gemütliche Restaurants. Dort wo früher die Stadtmauer stand, befinden sich heute Grünflächen, die so eine Art Ring um die Altstadt bilden. Abends waren wir in einer Tapas Bar, die lecker aber nicht außergewöhnlich und dafür schon teuer war. Anschließend noch in der Jazz Bar. Achte am besten online darauf: Es gibt an mehreren Orten in der Stadt Live-Musik.
Samstag: Biertag
Ein guter Start in den Samstag kann am Bauernmarkt auf dem Hauptplatz der Stadt beginnen. Immer samstags kannst du hier typisches Essen probieren und dich nach Mitbringseln umsehen. Im Verhältnis zu dem riesigen Platz ist der Markt recht überschaubar, aber auf jeden Fall einen Besuch wert. Für uns ging es danach direkt ins Beer Spa. Dort gehörte uns für zwei Stunden eine Badewanne gefüllt mit Bier! Und ja: es ist warm, es blubbert wie im Whirlpool und es ist echt sehr entspannend. Neben dem Effekt für Haut und Haare wird in einer kleinen Einführung auch erklärt, wie man Helles und Dunkles aus dem Hahn zapft, der praktischerweise direkt an der Wanne montiert ist. Dazu gibt es Bierbrot mit einem herzhaften – leider nicht vegetarischen – Aufstrich, Musik und ein Strohbett, außerdem eine eigene Toilette und Dusche nebenan. Alles in einheitlicher, gemütlicher Optik. Da das Biergemisch Badekleidung verfärben kann, lässt man am besten alles in dem Bauernschrank im Eingangsbereich, Bademäntel gibt es auch. Und dazu darf man sich so viel Bier zapfen, wie man eben gern trinken möchte und kann innerhalb der ein oder zwei Stunden, in denen der Raum gebucht ist.
Gut erholt und etwas angeheitert wagten wir uns direkt im Anschluss an das Bierbad zur historischen Underground Tour im Kombiticket mit dem Biermuseum. Hat für uns wunderbar geklappt, auch hier könnte man die Reihenfolge aber – je nach Verfügbarkeit des Spas – einfach tauschen. Die Untergrund Tour eröffnet eine ganz besondere Perspektive auf die Stadt von unten, durch das riesige Tunnelsystem, welches einen Großteil der Häuser miteinander verband und in dem sich eine ganze Menge Stadtgeschichte entdecken lässt. Unsere Lieblingstour in Pilsen! Helme gibt es am Eingang, die Touren werden auf Tschechisch, Englisch und Deutsch angeboten. Das Biermuseum liegt direkt oberhalb dem Zugang zum Tunnelsystem. Es ist kurzweilig und schön gestaltet, definitiv auch einen Besuch wert, wenn man noch etwas Zeit mitbringt, aber kein absolutes Muss.
Im Jahr 2015 war Pilsen europäische Kulturhauptstadt und tatsächlich bietet sich hier ein überraschend großes Programm. An dem Samstag Mitte Mai fanden überall im und ums Stadtzentrum kleine und größere Hinterhofkonzerte statt. Das Programm und eine kurze Erklärung auf Englisch konnten wir uns ganz einfach in der Tourismus-Information abholen, den Fluss hinunter sind wir dann noch auf eine Art Zirkuszelt gestoßen, in dem Elektromusik aufgelegt wurde und auf der Wiese direkt davor gab es kleine Verkaufsstände. Also unbedingt die Augen offen halten und Zeit nehmen für solche spontanen Abstecher. Abend essen waren wir im Stadtzentrum im Restaurant Sti Pec. Absolut empfehlenswert, sehr leckeres Essen in kleineren Portionen, nicht günstig aber für den wirklich zuvorkommenden Service, das Ambiente und hervorragende Essen preislich voll in Ordnung. Besonders grandios waren die Nachspeisen!
Sonntag: Zwei Superlative zum Abschluss
Am letzten Tag standen noch zwei echte Besonderheiten sehr unterschiedlicher Natur auf dem Programm. Vormittags besuchten wir die Synagoge von Pilsen, die bereits beim ersten Schlendern durch die Stadt einfach auffällt durch ihre Größe und wunderschöne Architektur. Tatsächlich ist die Große Synagoge von Pilsen zugleich die drittgrößte der Welt, nach der Synagoge in Budapest und New York. Ihr Inneres ist beeindruckend, die Architektur grandios. Auch die kleine Fotoausstellung und die Dauerausstellung auf der Galerie sind interessant, zweitere verrät in Fotos und kurzen Texten mehr über jüdisches Leben und Glauben in Pilsen. Direkt am Eingang kauft man das Ticket, erhält ein kleines Infoblatt und die Männer bekommen dazu noch eine Kippa. Im Infoblatt ist unter anderem zu lesen, dass die Synagoge in Zeiten des zweiten Weltkriegs überlebt hat, da sie von den Nationalsozialisten als Lagerhalle benutzt wurde. Diese und andere Geschichten und Bilder regen zum Nachdenken an, zugleich ist die Synagoge heute ein Ort des Gebets und kulturellen Lebens. Wer mehr sehen und erfahren möchte, der findet ganz in der Nähe der Großen Synagoge auch die alte Synagoge. In einem Hinterhof versteckt, ist sie relativ frisch renoviert und kann gegen Eintritt ebenfalls besichtigt werden. Wichtig in beiden Fällen: Freitag und Samstag sind die Synagogen geschlossen!
Letzter und einer der beliebtesten Programmpunkte in der Stadt war die Pilsner Urquell Brauerei. Von der Innenstadt sind es etwa 15 bis 20 Minuten zu Fuß dorthin. Das Areal ist riesig und eine interessante Mischung aus Architekturelementen. Wir hatten uns am Freitag entschieden, die Tickets zu kaufen und da es dank Feiertag ein langes Wochenende für deutsche Touristen war, gab es keine Touren mehr auf Deutsch oder Englisch. Speziell im Sommer und an langen Wochenenden lohnt es sich, also vorab zu buchen oder wie wir an der tschechischen Tour teilzunehmen. Simultan kann man sich das Gesagte dann am Smartphone auf Deutsch, Englisch oder auch Spanisch anhören. Das ist erstaunlich gut gemacht aber man sollte am besten bereits vor Start der Tour die App testen. Die Brauerei ist wirklich eine kleine eigene Welt, die ebenfalls mit einem kuriosen Superlativ aufwartet: dem größten Personenaufzug in Tschechien. Dieser Glasaufzug sowie ein kleiner Bus bringen Besucher:innen von A nach B, die meisten Wege legt man zu Fuß zurück. Dabei wird der Brauprozess genau erklärt, es gibt viel Anschauungsmaterial in den Ausstellungsräumen und interessante Fakten. Besonders beeindruckend ist auch hier das Tunnelsystem unter der Brauerei und der ehemalige Eiskeller. Dort ist es entsprechend kühl (also dünne Jacke nicht vergessen!) und am Ende der Tour wird ein frisches Bier gezapft. Abschließend noch ein letztes Mal durch die Stadt schlendern, ein Eis essen oder ein zweites Bier vor der Brauerei trinken. Alles gute Optionen vor der Heimfahrt.
Fazit
Daumen hoch für die kleine Stadt der vielen Superlative. Pilsen ist entspannt, aber nicht langweilig, es bietet Party und Historie, ein vielfältiges Kulturprogramm und das alles fußläufig. Bei einem zweiten Besuch würde ich mir wahrscheinlich noch eins der zahlreichen kleinen Museen anschauen, ansonsten war es eine gelungene Mischung an Aktivitäten, Sightseeing und einfach Bummeln. All das macht Pilsen zu einem genialen Wochenendausflug, speziell bei einer Anreise aus dem Süden oder Osten Deutschlands.