Manche nehmen sich Urlaub, um auf dem Münchner Oktoberfest am Start zu sein, andere flüchten aus der Stadt, einige vermieten ihre Wohnungen für gutes Geld unter. Die Wiesn bedeutet Ausnahmezustand und ich kann verstehen, dass nicht alle Fans der Großveranstaltung sind. Ich selbst muss aber gestehen, bin ein großer Fan und eigentlich (fast) jedes Jahr dabei. Meinen persönlichen Rekord habe ich als Studentin aufgestellt: 8 von 16 Tagen. In diesem Sinne Vorhang auf für meine gesammelten Tipps, sozusagen den Oktoberfest-Survival-Guide.
Geschichte
Was viele nicht wissen: Ursprünglich war das heutige „Bierfest“, wie Tourist:innen es gerne nennen, ein Pferderennen anlässlich einer königlichen Hochzeit. Die fand am 12. Oktober 1810 statt und dauerte insgesamt stolze fünf Tage. Den Abschluss der Feierlichkeiten markierte schließlich ein Pferderennen vor den Toren der Stadt. Die Festwiese benannte man nach der Braut und heute kennt den Ort jeder als Theresienwiese. 2010 feierte die Wiesn ihr zweihundertjähriges Bestehen, im Jahr 2020 wurde sie aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt, doch das war nicht das erste Mal: Zweimal verhinderte die Cholera die Festivitäten, später die beiden Weltkriege und die Rezession 1922 und 1923. Abgesehen von den Corona-Jahren schreibt das Oktoberfest beeindruckende Zahlen: Besucher:innen und Bierkonsum in den Millionen.
Worte zum Auftakt
Die berühmten Worte „O´zapft is“, spricht der amtierende Oberbürgermeister am ersten Wiesnsamstag erst um 12 Uhr. Das heißt: Achtung! Am ersten Tag gibt es bis mittags gar kein Bier – erst wenn das erste Fass im Schottenhamel erfolgreich geöffnet ist, kannst du dir deine erste Maß kaufen. Trotzdem lohnt sich früh da sein! Die Plätze im Zelt sind schnell belegt, aber auch draußen bleiben ist keine schlechte Idee. Dort lässt sich der Einzug der Wiesen Festwirte verfolgen. Das ist der Auftakt sozusagen die Eröffnung des Oktoberfest. Und überhaupt steht das erste Wochenende ganz im Zeichen der Umzüge: Am ersten Sonntag zieht der Trachtenumzug zur Wiesn – auch durch die Münchner Innenstadt, vorbei am Stachus / Karlsplatz. Vielleicht eine Idee, falls du der Wiesn selbst nicht direkt zu nahe kommen willst.
Fahrgeschäfte, Aktivitäten und Sehenswertes
An den Festzelten führt kein Weg vorbei, es gibt aber auch eine Menge an Fahrgeschäften und diverse andere kuriose Aktivitäten auf der Theresienwiese außer Bier trinken. Eine echte Institution und besonders amüsant für alle, die Dialekt verstehen, ist das Teufelsrad. Eine schlichte Scheibe aus Holz, die sich seit über 100 Jahren unter dem Zeltdach dreht. Nachdem du den Eintritt bezahlt hast, kannst du einfach zuschauen oder mitmachen und versuchen, möglichst lange auf der Scheibe sitzen zu bleiben, während diese sich immer schneller dreht und die Mitarbeiter:innen mit Seilen und Ball versuchen, die Mitfahrenden vom Rad zu holen. Ähnlich nostalgisch aber weniger wild ist eine Fahrt auf der Krinoline oder ein Besuch im Flohzirkus. Zwei weitere eher ungewöhnliche Stopps beim Wiesnrundgang sind die Motorrad-Steilwand Motodrom (Daumen hoch!) und die Varieté-Show Schichtl (war nicht so mein Geschmack). Alte Fahrgeschäfte kann man kostengünstig auf der Oidn Wiesn (Alte Wiesn) fahren. Diesen Teilbereich des Oktoberfest gibt es erst seit 2011, er hat sich mittlerweile aber gut etabliert. Im Traditionszelt werden typische Tänze gezeigt, im Museumszelt die Geschichte der Wiesn erzählt. Das alles gegen einen Eintritt von 4 Euro pro Person.
Sehr beliebte Fahrgeschäfte sind das hohe Kettenkarussell, die Wilde Maus und der Olympia-Looping mit seinen insgesamt 5 Loopings und einem stolzen Preis von 12,50 Euro pro Person (Stand 2024). Für alle, die die Aussicht in Ruhe genießen möchten, kann ich das Riesenrad empfehlen. Ein besonderer weiterer Aussichtspunkt ist die Statue der Bavaria. Man kann auf einer /über eine Wendeltreppe bis in den Kopf hinauf steigen und durch eine kleine Öffnung nach unten schauen. Besonders schön ist das abends, wenn alles beleuchtet ist. Die Bavaria ist bis zum 16. Oktober jeden Tag bis 20 Uhr geöffnet. Fun Fact von der Schlösser Bayern Seite: „Die Bavaria (…) misst vom Fuße bis zum Eichenkranz insgesamt 18,52 Meter. Sie ist die einzige begehbare Großbronze in Deutschland.“ Der Eintritt kostet 5 Euro für die Statue; die Ruhmeshalle direkt dahinter bleibt während des Oktoberfests geschlossen.
Festzelte
Berühmt ist das Oktoberfest für seine Bierzelte. Insgesamt sind es 17 große und 21 kleinere Zelte, die eher unterschiedliches Publikum anziehen. Wobei am Wochenende im Zweifelsfall ohnehin die Devise gilt: Hauptsache reinkommen, egal in welches Zelt. Besonders beliebt sind das Hofbräu-Festzelt (eher internationales Publikum), der Schottenhamel (eher junge Münchner:innen), die Augustiner-Festhalle (bestes Bier, wie ich finde und auch eher junge Leute), das Armbrustschützenzelt (traditionell) oder auch die Käfer Wiesn-Schänke, wo es etwas schicker zugeht. Der Biergarten ist hier am schönsten (mit Sicht aufs Riesenrad) und es gibt richtig guten Kaffee und Süßspeisen, aber natürlich auch Bier und Herzhaftes. Ebenfalls etwas schicker und innen sehr schön ist das Marstall-Zelt fast direkt an einem der Eingänge.
Wenn du abends einen Platz im Zelt möchtest, sei am besten vor 16 Uhr da oder noch besser: unter der Woche. Alternativ kannst du vorab einen Tisch reservieren. Das bietet sich speziell für die Wochenenden an, ist aber auch immer an ein fixes Zeitfenster gebunden und du brauchst natürlich ausreichend hungrige und durstige Leute, die den Mindestumsatz mit dir teilen. In den Zelten der Oiden Wiesn ist es oft ruhiger und am Wochenende auch in der Mittagszeit noch möglich, einen Tisch ohne Reservierung zu finden. Auch bei vielen „Einheimischen“ ist dieser Teilbereich der Wiesn immer beliebter.
Schmankerl: Kulinarisches Wiesn-Erlebnis
Mein Tipp vorab: gutes Essen gibt es auch außerhalb der Zelte und dort deutlich günstiger. In den Zelten finde ich als Vegetarierin das Marstall-Zelt mit am besten und auch abwechslungsreichsten. Was die Gerichte selbst betrifft kann ich natürlich die Klassiker wie Käsespätzle und Semmelknödel mit Rahmschwammerl (Pilzsoße) empfehlen, außerdem: Brezn mit Obazda (orange-farbener Aufstrich aus verschiedenen Käsesorten und Paprikapulver) und natürlich die Süßspeisen: Echte Klassiker und echt lecker sind Dampfnudeln mit Vanillesoße oder Kaiserschmarrn, eine Art Pfannkuchenteig in Stücke gerissen, mit Puderzucker bestreut und mit Apfelmus serviert. Ein schönes Mitbringsel kann ein Lebkuchenherz sein. Bei Sprüchen und Größten hat man eine Riesenauswahl. Das Getränk um das sich beim Oktoberfest alles dreht, ist das Oktoberfestbier, in 1-Liter-Maßkrügen serviert und mittlerweile für einen stolzen Preis von rund 15 Euro. Achtung: Es ist sehr würzig und lecker, hat aber einen höheren Alkoholgehalt als „normales“ Bier. Alle Weinliebhaber:innen können im Weinzelt vorbeischauen, zugleich das Zelt, das nachts am längsten offen hat.
Gesammelte Tipps zum Abschluss
Teil eines Wiesn-Survial-Guides müssen natürlich auch ein paar Hinweise und Warnungen sein. Direkt die erste: der Hügel vor der Bavaria-Statue trägt aus gutem Grund den Beinamen „Kotzhügel“. Gibt bessere Orte zum Sitzen als die Wiese dort. Außerdem gut zu wissen: die beste Zeit für einen entspannten Besuch ist unter der Woche mittags und nachmittags. Beim Outfit sind bequeme Schuhe eine gute Idee und Tracht sieht man mittlerweile – in unterschiedlichsten Ausführungen – überall, sie ist aber natürlich kein Muss. Große Taschen oder Rucksäcke sind auf dem Festgelände nicht erlaubt und müssen direkt an den Eingängen gegen Bezahlung eingelagert werden. Besser: kleine Taschen und immer auf die Wertsachen und auch Jacken achten. Wer mit Kindern auf die Wiesn gehen möchte, der ist mit dem Familientag gut beraten. Der ist an den beiden Dienstagen und lockt mit günstigeren Preisen. Hunde sind – besser ist es für sie – auf dem Oktoberfest übrigens nicht erlaubt.
Fazit
Das Oktoberfest kann eine echt wilde Veranstaltung sein: acht Stunden im Zelt sitzen und Bier trinken, bescheuerte Hüte kaufen, alle zehn Minuten „ein Prosit“ gemeinsam singen. Es kann aber auch ganz beschaulich sein so unter der Woche, beim Käfer einen Kaffee trinken und Krinoline fahren. So oder so gehört das Oktoberfest einfach zu München und ich bin immer wieder gerne auf der Wiesn. Also probier es aus, schau dich um und vor allem hab Spaß, lerne nette Leute kennen und habt gemeinsam eine gute und sichere Zeit. Und wenn du länger in der Stadt bist, dann genieße auch München, seine Parks und Sehenswürdigkeiten. Was es hier zu sehen gibt, das hab ich in meinem ersten Blogbeitrag gesammelt.
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